Für viele Eltern fühlt es sich selbstverständlich an, ihren Kindern etwas zu hinterlassen. Ein Haus, Ersparnisse, ein finanzielles Polster für später. Für Truus ist das anders. Sie ist 81 Jahre alt, geistig klar und hat bewusst entschieden, ihren Kindern kein Erbe zu hinterlassen.
Nicht aus Wut. Nicht aus Groll. Sondern aus Überzeugung.
Erwartungen, die unbemerkt entstehen
Truus bemerkte es schon vor Jahren. Kleine Bemerkungen, oft achtlos dahingesagt. Fragen zum Haus, zu Ersparnissen, zu „später“. Nichts ausdrücklich Drängendes, aber doch genug, um zu spüren, dass damit gerechnet wurde. Als ob ihr Besitz nicht mehr ihr gehörte, sondern schon einmal an die nächste Generation weitergeschoben wäre.
Das empfand sie als unangenehm. Nicht, weil ihre Kinder schlecht wären, sondern weil sich Erwartungen langsam festsetzen, ohne dass es jemand merkt.
Ein Leben lang gearbeitet
Seit ihrem sechzehnten Lebensjahr arbeitete Truus. In einer Zeit, in der es wenig Sicherheiten gab und Sparen kein Luxus, sondern Notwendigkeit war. Sie hat ihr Haus abbezahlt, Geld beiseitegelegt und gelernt, sparsam zu leben. Alles, was sie hat, hat sie selbst aufgebaut.
Das macht es für sie wichtig, selbst zu bestimmen, was mit diesem Geld geschieht. Nicht, weil sie es niemandem gönnt, sondern weil sie findet, dass Besitz kein automatisches Recht ist.

Kinder, die ihren eigenen Weg gehen
Ihre Kinder sind erwachsen, haben ihr eigenes Leben und treffen ihre eigenen Entscheidungen. Sie haben gearbeitet, Chancen gehabt und Möglichkeiten genutzt. Truus sieht keinen Grund, ihre Verantwortung zu übernehmen, indem sie sie nach ihrem Tod finanziell entlastet.
Für sie gehört zum Erwachsensein auch, die eigenen Lasten zu tragen. Sie glaubt, dass das Vererben von Geld mitunter mehr Erwartungen schafft als Freiheit.
Leben, solange es geht
Truus möchte ihre letzten Jahre nicht mit dem Gedanken leben, Geld für später zurückhalten zu müssen. Sie möchte ihre Pflege bezahlen können, schöne Dinge tun, solange es geht, und nicht das Gefühl haben, sich selbst etwas vorzuenthalten, um etwas zu hinterlassen.
„Es war mein Leben“, sagt sie. „Dann darf ich es auch so abschließen, wie ich will.“
Was dann tatsächlich geschieht
Was übrig bleibt, geht an wohltätige Zwecke, die ihr am Herzen liegen. Initiativen, die zu Pflege, der Linderung von Einsamkeit und Chancen für Menschen beitragen, die es weniger gut getroffen haben. Das fühlt sich für sie wie ein logischer Abschluss dessen an, was sie aufgebaut hat.
Ein unangenehmes Gespräch
Truus weiß, dass ihre Entscheidung nicht von allen verstanden werden wird. Es gibt Kinder, die darüber erschrocken verstummen werden. Vielleicht werden sie sogar wütend. Aber für sie ist Ehrlichkeit wichtiger als Schweigen.
Indem sie es jetzt anspricht, hofft sie, Erwartungen abzubauen. Und vielleicht auch das Gespräch über etwas in Gang zu bringen, worüber viele Familien lieber nicht sprechen.
Mehr als Geld
Für Truus geht es nicht darum, etwas vorzuenthalten, sondern um Autonomie. Um Selbstbestimmung bis zum Ende. Sie hofft, dass ihre Kinder sich an sie erinnern wegen der Person, die sie war, nicht wegen dessen, was sie hatte.
Und vielleicht, denkt sie, ist das am Ende ein wertvolleres Vermächtnis als Geld.



