„Es wirkt, als hätte heutzutage jeder etwas in der Nase hängen,“ seufzt Marieke (45). Ihre Tochter Anne, siebzehn Jahre alt, kam neulich nach Hause mit der Ankündigung, dass sie sich auch ein Piercing in der Nasenmitte – ein sogenanntes Septum-Piercing – stechen lassen möchte. „Ich traute meinen Ohren nicht. So ein Ring mitten in der Nase! Ich finde das wirklich abscheulich.“
Der Trend des Septum-Piercings
Das Septum-Piercing ist in den letzten Jahren enorm populär geworden, vor allem unter Jugendlichen. Auf TikTok, Instagram und sogar in Klassenräumen tauchen sie überall auf. Das Piercing geht durch das weiche Stück zwischen den Nasenlöchern und kann als Ring oder Hufeisen getragen werden.
Für Jugendliche ist es oft eine Möglichkeit, sich auszudrücken oder um „dazuzugehören“. Für viele Eltern – wie Marieke – ist es jedoch eher ein Schreckensbild. „Früher sah man das nur bei Hausbesetzern oder Punks“, sagt sie. „Und jetzt läuft die halbe Schule damit herum. Ich finde es alles andere als charmant.“
Zwischen elterlichem Geschmack und Freiheit
Marieke ringt damit. „Einerseits will ich nicht die nörgelnde Mutter sein, die alles verbietet. Sie ist fast erwachsen, sie darf durchaus eigene Entscheidungen treffen. Aber ich finde, es ist einfach schade um ihr Gesicht. Sie ist so ein hübsches Mädchen, und dann so ein Ring mitten in ihrer Nase … da läuft es mir kalt den Rücken hinunter.“
Sie erzählt, dass Anne seit Wochen darüber spricht, sich das Piercing stechen zu lassen. „Sie hat Fotos von Klassenkameraden gezeigt. Ich musste mir beinahe auf die Zunge beißen, um nichts Gemeines zu sagen.“

Wann lässt man als Elternteil los?
Es ist ein bekanntes Dilemma: Dein Kind wird älter, entwickelt eine eigene Meinung und will sich abheben. Laut der Psychologin Inge van der Laan ist dies sogar ein wichtiger Bestandteil des Erwachsenwerdens.
„Jugendliche suchen nach ihrer Identität. Sie wollen sich von ihren Eltern abgrenzen und sich ihrer eigenen Generation zugehörig fühlen. Äußere Entscheidungen, wie Kleidung, Frisuren oder Piercings, sind ein Ausdruck davon.“
Dennoch versteht die Psychologin auch die Perspektive der Eltern. „Es ist logisch, dass man als Elternteil mit etwas, das so sichtbar ist, Schwierigkeiten hat – besonders wenn es vom eigenen Geschmack oder den eigenen Normen abweicht. Wichtig ist jedoch, sich bewusst zu machen, dass dies meist eine vorübergehende Phase ist. Zudem ist ein Piercing nicht dauerhaft.“
Was kann Marieke tun?
Verbieten ist in diesem Alter beinahe sinnlos. Eine 17-Jährige kann sich in den Niederlanden mit elterlicher Zustimmung ein Piercing stechen lassen, und sobald sie 18 ist, darf sie es ohnehin selbst entscheiden.
Was Marieke laut Fachleuten am besten tun kann, ist im Gespräch zu bleiben. Anstatt nur zu sagen, dass sie es hässlich findet, kann sie fragen, warum Anne es so gerne möchte. Geht es um Mode, um Selbstausdruck, oder will sie einfach nicht hinter ihren Freundinnen zurückbleiben?
Außerdem kann Marieke durchaus praktische Grenzen setzen. Zum Beispiel:
Besprechen, wo und von wem das Piercing gestochen wird (nur bei einem hygienischen und anerkannten Piercer).
Klarstellen, dass Anne selbst für die Kosten und die Nachsorge verantwortlich ist.
Vereinbarungen darüber treffen, das Piercing bei Schule oder Arbeit zu verbergen, falls nötig.
Vielleicht ein Kompromiss?
Manche Jugendliche entscheiden sich für ein „umklappbares“ Septum-Piercing. Das ist ein hufeisenförmiger Ring, den man nach oben klappen kann, sodass er nicht sichtbar ist. Das kann ein Mittelweg zwischen Selbstausdruck und elterlichem Unbehagen sein.
Marieke lacht, als sie das hört, bleibt aber skeptisch. „Ich verstehe, dass sie ihre eigenen Entscheidungen treffen muss, aber insgeheim hoffe ich, dass sie noch einmal darüber nachdenkt. Vielleicht ist es in ein paar Monaten wieder out. Oder vielleicht bin ich einfach eine altmodische Mutter.“
Was meint die Leserschaft?
Hat Marieke recht, es abscheulich zu finden, oder muss sie lernen, loszulassen?
Fakt ist, dass das Septum-Piercing heute beinahe so selbstverständlich zu werden scheint wie ein zweites Ohrloch. Trotzdem fällt es vielen Eltern schwer zu sehen, wie ihr Kind etwas tut, was sie selbst nie in Erwägung ziehen würden.
Marieke seufzt. „Ich weiß, dass sie fast erwachsen ist und dass ich sie nicht ewig lenken kann. Aber ehrlich? Ich hoffe, dass sie morgen aufwacht und denkt: ‚Lass es, Mama hatte doch ein bisschen recht.'“
Bis dahin hält sie die Luft an – und hofft, dass der Trend so schnell verschwindet, wie er gekommen ist.



